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Wirtshaus, das Stadion der Freude

Tamino und Fritz Grampelhuber sind die Köche des ÖFB-Teams und Wirtsleut’ vom Steegwirt. (vowe) Foto: V. Weihbold

26.06.2021

Man muss kein Fußballfan sein, um Wirtshäuser zu lieben. Aber die Euphorie ist die gleiche.

Stellen Sie sich vor, sie trainieren wie ein Berserker, wollen ihre Dribblings, Gurkerl und Gustostückerl vorführen und kein einziger Fan applaudiert. Fußballer konnten einem fast ein wenig leid tun, die Stadien waren geschlossen und Zuseher feuerten ihre Mannschaften maximal vor dem Fernseher an.

So weit so gut. Was hat nun aber das Fußballspiel mit Wirtshäusern zu tun? Sehr viel sogar. Die Krise zeigte eines auf: Die Wirtshäuser fehlen, wenn sie geschlossen sind. So wie ein Fußballkick ohne Fans kaum Spaß bereitet, so deprimierend ist ein Dorf ohne Wirtshaus. Erfreulicherweise merkt man in Oberösterreich wenig von Geisterspielen, auch nach dem Lockdown nicht. Genug Wirte stehen bereit, die Kaderdichte ist enorm und viele bespielen ihr Wirtshaus mit einer Lockerheit, wie sie einst Diego Maradona beim Gaberln zeigte.

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Michael und Franz Pernkopf laden ihre Gäste am Traunsee zu einer geschmackvollen Reise zur Herzlichkeit und Gemütlichkeit ein. (vowe) Foto: V. Weihbold

Anpfiff für die Wirtshäuser

Ein erfolgreicher Wirt ist wie ein Fußballteam. Als Einzelkämpfer gewinnt man keine Meisterschaft. Man benötigt eine Servicemannschaft und ein unterstützendes Publikum, das sich mit dem Team identifiziert. Die Fans wollen Spieler und die Gäste Köche zum Anfassen. Das Wirtshaus ist ein Stadion der Geselligkeit, der Kommunikation und der Abwechslung.

„Wenn die Gäste kommen, müssen sie sich wohlfühlen, ohne sich verstellen zu müssen. Als Koch darf ich mich auch nicht verstellen, sondern koche das, was mir – und unseren Gästen – schmeckt. Das kann der Präsident, der Fußballer oder der Schützenverein sein. Im Wirtshaus treffen sich alle Schichten und alle reden miteinander. Ehrlich und authentisch, so wie unsere Gerichte“, sagt Fritz Grampelhuber. Der Koch führt mit seinem Bruder Tamino den Steegwirt beim Hallstättersee.

1571 wurde das Welterbewirtshaus erbaut. Der Steegwirt – früher „Trauneckgut“ – ist somit einer der ältesten Gastronomiebetriebe Bad Goiserns. Fußball wurde damals schon gespielt. Zwar etwas ruppiger als heute und ohne die bekannten Regeln. Die wurden im Jahr 1863 in England aufgeschrieben. Zwölf Jahre später erfolgte die Renovierung des Trauneckguts, vor drei Jahren modernisierte die Familie Grampelhuber das historische Haus erneut. Behutsam und mit viel Gespür für die Region, damit nichts vom Charme und der Gemütlichkeit verloren geht. Der 250 Jahre alte „Kuchlofen“ wurde in die Stube verlegt. Neu sind Zimmer in Altholz mit Blick in die Natur.
   

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Die Kesselheiße, ein Seidel Bier und ein Semmerl – Genuss pur (vowe) Foto: V. Weihbold

Gustostückerl aus der Küche

Fritz und Tamino Grampelhubers haben Einsätze in den besten Häusern vorzuweisen. Beide bekochen zudem die österreichischen Fußballnationalmannschaft, sind aber stets ihren Prinzipien treu geblieben und präsentieren anständige Speisen mit Niveau. „Traditionelle Gerichte aufpäppeln, dazu ein lässiges Service, das einen Schmäh versteht. Rindsrouladen mit ehrlichem Erdäpfelpüree, karamellisierte Krautfleckerl, dass du durchdrehst, oder Mohnnudeln, die man von der Kindheit kennt. Das ist für mich Wirtshausküche. Damit trägt man bei, dass die Wirtshauskultur weitergelebt wird“, sagt Fritz Grampelhuber stolz, als wenn er gerade volley ins Herz der Genießer getroffen hätte. Er ist aber nicht der Einzige, der kulinarisch einnetzt.

Die Pernkopfs vom Landhotel Grünberg am See aus Gmunden spielen in der gleichen Liga. Die Herzlichkeit der Familie ist gewinnbringend. Die idyllische Lage am Ostufer mit Sonnenuntergangsblick tut das Übrige dazu. Franz Pernkopf ist ein Wirt, der nie stehen bleibt und stets versucht ist, das Rad weiterzudrehen. „Wir wollen ein Ort der Gastlichkeit sein, der Region angepasst, von Menschen geführt, die dort leben, und dabei Lebensmittel von vorwiegend heimischen Produzenten veredeln“, fasst der Wirt kurz und bündig das magische Vieleck des genüsslichen Erfolgsmodells zusammen.

Freilich weiß man schon länger, was die Gäste wünschen, aber es tut gut, das Wissen aufzufrischen und die Gäste aufmerksam zu machen. „Woher kommt die Reinanke? Von welchem Bauern wurde das Lamm geliefert?“, sagt Pernkopf.
    

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Die heimische Landwirtschaft ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor und garantiert knapp 100.000 Menschen eine Beschäftigung. Aber sie ist vor allem innovativ, entwickelt sich weiter und lädt die Gastronomen ein, Lebensmittel wie Artischocken zu verkosten. Foto: V. Weihbold

Heimspiel in der Region

60 Prozent der Einheimischen möchten laut der World Food Travel Association 2020 mehr über lokales Essen und Trinken erfahren. Positive kulinarische Erfahrungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit wiederzukommen. Das ist wie beim Fußball, wenn Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in die Kampfmannschaft schaffen. Fans freuen sich am meisten darüber, wenn der „local hero“ ein Tor schießt oder eine gute Leistung zeigt. Nur Regionalität allein reicht nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein. Die Ernährungswissenschafterin Hanni Rützler spricht davon, dass die Trends „Plant Based Food“, „Nachhaltigkeit“ und „Brutal lokal“ evolutionär weiterzudenken sind. Auch müsste die Wirtshausküche neu interpretiert werden. Weg vom Deftigen hin zu leichten, kreativen Ansätzen, sagt Rützler. So wie eine Fußballmanschaft heute mit einem Libero und zwei Aufbauläufern wenig erfolgreich ist, sind es Wirte, die sich an alte überholte Konzepte klammern.

Erfreulicherweise verknüpft Oberösterreich Regionalität mit Innovation und holt jährlich neue oberösterreichische Spitzenprodukte aus dem Köcher. Statt sich bequem auf zwei Leitprodukte zu verlassen, forciert Oberösterreich die Vielfalt und vernetzt Gastronomen mit Produzenten, Handwerkern und Konsumenten. Das Team Oberösterreich besteht nicht aus Solisten, sondern aus Spielern, die sich gegenseitig den Ball zuspielen.
    

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Die Stadlkirchner Hofstub´n beherbergt einen der schönsten Gärten. Foto: V. Weihbold

Das Wirte-Ensemble

Viele dieser Wirte geigen in der Liga der Kultiwirte auf. Die gastronomische Vereinigung verfolgt ein Ziel: „Wir erhalten das typische Wirtshaus am Leben und bekennen uns zur heimischen Wirtshauskultur“, schreiben die Kultiwirte und verpflichten sich, Bier, Most und Edelbrände aus der Heimat anzubieten, typisch oberösterreichische Speisen zu kochen, einen Stammtisch zum Plaudern zu haben, aber vor allem einen Wirten, der zur persönlichen Ansprache da ist.

Franz Pernkopf ist so ein Wirt, der täglich im Betrieb steht und das Restaurant mit seinen Kindern Michael und Claudia mit viel Schmäh und Herzblut führt. 69 Betriebe sind in den Kultiwirten verankert. Eine Stunde vom Traunsee entfernt liegt ein weiteres vorbildliches Wirtshaus: Der Gasthof Dieplinger aus Pupping. So wie die Pernkopfs in Gmunden oder die Grampelhuber am Hallstättersee ist auch Familie Langmayr für die Gäste da und setzt regionale Lebensmittel ein. Eine Herzensangelegenheit.

„Wir sind aus einer Landwirtschaft entstanden und haben Ehrfurcht vor den Lebensmitteln“, sagt Paula Langmayr. Sie führt mit ihrer Familie das Gasthaus Dieplinger an der Donau in fünfter Generation. 1635 wurde es erstmals als Wirt an der Brücke urkundlich erwähnt. Heute sind die Flächen verpachtet, viele Bauern sind Stammgäste im Wirtshaus. Sie schätzen, dass ihre eigenen Lebensmitteln verarbeitet werden. Für die Wirtin eine Selbstverständlichkeit. „Wir sind stolz darauf. Auch wenn Gäste kommen und fragen: Was gibt’s denn bei euch in Oberösterreich? Dann wollen wir mit unseren Lebensmitteln und unseren Gerichten ein Antwort darauf geben. Das ist naturgemäß der Most. Aber auch ein gefülltes Hendl oder ein Rostbraten. Freilich ist eine gute Jause wichtig. Erdäpfelkas, Schmalzbrot, Schafkäse von unseren Bauern oder Zwetschkenpofesen. Man muss nicht alles machen. Nur was man anbietet, das muss in sehr guter Qualität sein“, sagt Langmayr.
  

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Christian Göttfried aus Linz bietet im Wirtshaus beides an: Hausmannskost und Haubenküche. Foto: V. Weihbold

Wirtshaus zum Wohlfühlen

Edi Priemetshofer aus Gutau schafft die Klammer von Tradition und Moderne. „Zwei Dinge haben alles überdauert: der alte Holzherd und die Rezepte von der Oma“, schreibt Edi. Regionalität ist für den Koch kein leeres Schlagwort, sondern wird genauso verinnerlicht wie das Lied „You’ll never walk alone“ von den Liverpool-Fans. Beim Genießermenü kommen alle Produkte aus einem Umkreis von 65 Kilometern. Das Saiblingsfilet aus dem Aisttal gart Edi langsam und serviert dazu Erdäpfel und Erbsen. Aus dem Mühlviertel bezieht der Koch sein Kalbfleisch. Mit einem Erdbeer-BasilikumSorbet beschließt er sein Menü und zeigt seine kreative und von Wohlgeschmack durchzogene Ader. „Wir wollen ein Wirtshaus bleiben. Jeder soll sich wohlfühlen“, sagt Edi. Sein Wirtshaus zeichnet sich durch viel Holz, Naturmaterialen und Lodenvorhänge aus.

Wirtshäuser sind wie ein Rasen auf dem Fußballfeld. Es macht mehr Spaß, auf einem gepflegten Rasen dem Ball nachzulaufen als auf dem sprichwörtlichen Acker. Das Fußballfeld der Wirtshäuser sind seine Gärten und seine Stuben.

Die schönsten Plätze

Zweimal wurde der idyllische Garten der Stadlkirchner Hofstub’n bereits auf Platz eins gewählt. Das Rezept dafür ist auf den ersten Blick zwar einfach, erfordert aber viel Liebe und Pflege. Hohe Bäume, eine Pergola und ein Schwimmteich verleihen dem Gastgarten der Wirtin Hermine Hanke einen besonderen Charme. „Hier ist es wie im Urlaub, hören wir unsere Gäste im Gastgarten immer wieder“, sagte sie. Wenn es regnet, nehmen die Feinspitze im restaurierten G´wölb oder in der heimeligen Stube Platz. So wie sich in der Hofstub’n die Räumlichkeiten unterscheiden, so vielfältig ist die Liste der Gaststuben in Oberösterreich. Keine gleicht der anderen und jede spielt ihre Vorzüge der Gemütlichkeit aus.

Die schönste Stube

Sehr viele Fans hat Günter Maurer vom Maurerwirt. Seine Gaststube wurde bei der Wahl von der Wirtschaftskammer und den OÖN vergangenes Jahr auf Platz eins gewählt. Wohl auch deshalb, weil der Wirt die Stube mit Leben füllt und die Vorzüge präsentiert. „Ich will den Menschen zeigen, dass es Spaß macht, Wirt zu sein, und dass es keine Konkurrenz zwischen den Gasthäusern gibt“, sagte Maurer nach seinem Triumph.

Wirte wie Maurer gibt es in Oberösterreich einige, die sich um ihre Gäste kümmern und die sie auf eine Reise zur Gemütlichkeit der Gaststuben begleiten. Martin und Julia Rittberger führen das Gasthof Post in Hellmonsödt und zeigen die Vielseitigkeit der Architektur auf. Von gemütlich bis zu modern. In der Zenz’n Stub’n am Attersee wurde der Tiroler Legionär Andreas Hammerle zum urigen Stammspieler, Fritz Silmbroth lässt die Tradition des seit 1905 bestehenden Wirtshauses in Viechtwang mit Kesselheißen, einer Fleischhauerei und Taverne weiterleben.

Und wie schaut es in der Stadt mit Wirtshäusern aus? Christian Göttfried betreibt mit seiner Frau Simone das wahrscheinlich älteste Wirtshaus in Linz und zeigt, dass sich Haubenküche, traditionelle Speisen und Herzlichkeit in eine geschmackvoll eingerichteten Stube vereinen lassen. Würde Göttfried sein Restaurant mit einem Fußballclub vergleichen, es wäre St. Pauli. „Ein Traditionsverein, ein ,Underdog’, aber voll lässig und immer für seine Fans da.“ PHILIPP BRAUN