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So wird gesunde Ernährung kinderleicht

Anna Perndorfer (ernaehrungs-werkstatt.at) gibt Tipps. Fotos: Perndorfer

11.01.2024

Ob Gemüseverweigerer, Naschkatze oder Pommestiger, beim Thema Ernährung kann es mit Kindern mitunter kompliziert werden. Wie der Spagat zwischen gesunder Ernährung und Selbstbestimmung des Kindes gelingt, verrät Diätologin Anna Perndorfer.

Für viele Eltern stellt sich die Frage, worauf bei der Ernährung von Kindern besonders zu achten ist. Eine generelle Antwort darauf gibt es laut Ernährungsexpertin Anna Perndorfer nur bedingt: „Allgemeine Grundsätze sind schwer zu formulieren, da die Ernährung und somit auch die Entwicklung des Essverhaltens von sehr vielen Faktoren geprägt werden. Besonders wichtig ist es auf jeden Fall, die Leichtigkeit und den Genuss beim Essen zu bewahren.“

Interaktion und Genuss

„Die Eltern spielen bis ins Jugendalter eine große Rolle als Vorbild und sollten gleichzeitig sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen, in denen auch verschiedenste Interaktionen mit Lebensmitteln sowie Genuss stattfinden können. Im turbulenten Familienalltag, ist dies aber natürlich nicht immer einfach und machbar“, weiß die Expertin. Der Genuss und der leichte Umgang mit Lebensmitteln sollten für Kinder im Vordergrund stehen. Ein Augenmerk auf die Ernährung sollte aber bereits ab der Geburt gelegt werden. 

„Indirekt beginnt die Ernährung des Ungeborenen schon im Mutterleib und ist unter anderem auch von der Ernährung der Mutter abhängig. Unser Körper unterliegt allerdings unglaublich komplexen Mechanismen, um Hunger und Sättigung selbst zu steuern und daher zeigen gesunde Babys diese Hunger- und Sättigungssignale meist sehr deutlich“, erklärt Perndorfer. „Werden diese Signale von den Eltern adäquat beantwortet, ist eine altersgerechte Ernährung sichergestellt.“ Komplexer wird es, sobald die Kleinen mit am Tisch sitzen. Hier sind vor allem Geduld und eine Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen des Kindes gefragt.

Freude am Entdecken

Kinder sollten Essen selbstständig entdecken dürfen.
Kinder sollten Essen selbstständig entdecken dürfen.

„Mit dem Beikost-Start kommt eine Zeit, in der das Entdecken von Nahrung im Vordergrund steht. Diese Phase kann für die Eltern sehr anstrengend sein, da man sehr viel Zeit mit dem Saubermachen und dem Waschen dreckiger Wäsche verbringt. Wenn das Kind trotzdem nur wenige Löffel gegessen oder das Essen sogar ganz verweigert hat, kann das ziemlich frustrierend sein. Bedürfnisorientiertes Handeln ist in dieser Phase allerdings unglaublich wichtig für die Entwicklung des Essverhaltens.“

Eltern sollten sich also in Geduld üben und dem Kind ein selbstständiges Entdecken von Lebensmitteln und Speisen ermöglichen.

Wählerische kleine Esser

Doch was rät die Ernährungsexpertin, wenn Kinder besonders heikel sind oder ganze Lebensmittelgruppen verweigern?„In solchen Phasen kommen zwei Aspekte zusammen. Einerseits entwickelt das Kind ein erhöhtes Autonomiebedürfnis, andererseits schützt eine gewisse intrinsische Vorsicht vor potenziellen Gefahren. Genau im Kreuzfeuer dieser Entwicklungen findet wählerisches Essverhalten statt“, sagt Perndorfer. Dieses Verhalten sei in gewissem Maße normal und unterschiedlich stark ausgeprägt. „Um die Sorgen der Eltern besser begleiten zu können, erkläre ich gerne die Theorie der, Divison of Responsibility' von Ellyn Satter“, berichtet die Expertin. „Diese besagt, dass die Verantwortung folgendermaßen aufgeteilt wird: Die Eltern entscheiden, wo und wann gegessen wird und was es gibt. Das Kind entscheidet, ob und wie viel es vom angebotenen Essen essen will. Das nimmt den Eltern oft den Druck. Wichtig ist, den Kindern immer wieder auch nicht bevorzugte Lebensmittel ohne Druck anzubieten.“

Essen nicht emotionalisieren

Für absolut kontraproduktiv hält die Diätologin strikte Verbote von Lebensmitteln. Dadurch würden diese moralisiert werden und es würde ein noch intensiveres Begehren bei den Kindern entstehen. Besser sei es, klare Rahmenbedingungen aufzustellen, wie etwa maximal eine Handvoll Süßigkeiten pro Tag, die sich das Kind frei aussuchen kann und Süßes ansonsten wie jedes andere Lebensmittel zu betrachten. Wie die Rahmenbedingungen genau aussehen, könne frei entschieden werden. 

Kritisch sieht Perndorfer auch die Instrumentalisierung von Lebensmitteln. „Das bedeutet, Essen als Belohnung bzw. Anreiz oder Verbote als Drohung oder Bestrafung zu benutzen. Auch Essen zur Emotionsregulierung – wie etwa zum Trösten – kann problematisch werden. Gerade in Phasen, in denen Eltern an ihre Grenzen kommen, ist es oft der einfachere Weg, dem Kind einen Snack zu geben, um zumindest kurz Ruhe zu haben. Daran ist in Einzelfällen nichts verwerflich, jedoch sollte man darauf achten, dass dies nicht zur Gewohnheit wird.“

Das aktive Miteinbeziehen der Kinder in die Essenszubereitung kann helfen, ihnen eine ausgewogene Ernährung näherzubringen. Dabei sind das Wissen über Lebensmittelherkunft und -verarbeitung sowie eine bewusste Sinneswahrnehmung ein besserer Weg als die Einteilung in gute und schlechte bzw. gesunde und ungesunde Lebensmittel. Auch der Energie- und Nährstoffbedarf spielen bei der Ernährung von Kindern eine wichtige Rolle, erklärt die Diätologin. „Kinder und Jugendliche müssen zusätzlich zu ihrem Grundbedarf auch jenen Bedarf abdecken, der für das Wachstum notwendig ist.“ 

Die Phasen des größten Wachstums finden im ersten Lebensjahr sowie während der Pubertät statt. „Im ersten Lebensjahr deckt die Muttermilch oder Formula-Nahrung den zusätzlichen Bedarf in Kombination mit der Beikost ab, in der Pubertät macht sich dies bei den Jugendlichen oft mit einem stärker ausgeprägten Hunger oder der Präferenz für hochkalorische Lebensmittel bemerkbar“, so Perndorfer. „Dies ist nicht verwunderlich, da im Jugendalter der Energiebedarf sowie der Bedarf an manchen Nährstoffen jenen eines Erwachsenen tatsächlich übersteigt.“ Vorsicht ist geboten, wenn körperliche Beschwerden oder Symptome in Bezug auf Ernährung bei Kindern auftreten. Neben einer medizinischen Abklärung kann auch eine gemeinsame Ernährungsberatung für Eltern und Kinder hilfreich sein. 

„Durch die wechselnden Vorlieben und Abneigungen im Kleinkind- und Vorschulalter kann es häufig zu körperlichen Erscheinungen, wie etwa einem Eisenmangel oder Bauchschmerzen und Verstopfung, kommen. In diesen Fällen ist es ratsam, einen Kinderfacharzt aufzusuchen. Wenn andere Ursachen ausgeschlossen wurden, hilft in vielen Fällen eine Ernährungsberatung bei Diätologen, die sich das Essverhalten genau ansehen.“ 

Essverhalten bewusst beobachten

Obst und Gemüse gehören regelmäßig auf den Speiseplan für Kinder und Erwachsene.
Obst und Gemüse gehören regelmäßig auf den Speiseplan für Kinder und Erwachsene.

Doch auch im Volksschulalter und in der Pubertät können Schwierigkeiten bis hin zu Essstörungen auftreten, weiß Perndorfer. „Das Alter, in dem Essstörungen häufig beginnen, fällt oft mit dem Beginn der Pubertät zusammen, in der sich der Körper auf natürliche Weise verändert. Studien haben jedoch gezeigt, dass Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und erste Diäterfahrungen bei Mädchen bereits zwischen fünf und neun Jahren stattfinden. Somit kann man vermuten, dass die Kombination aus Körperunzufriedenheit und Auffälligkeiten im Essverhalten schon einige Jahre vor einer tatsächlich auftretenden Essstörung eine Rolle spielen.“ 

Eltern sollten ein Bewusstsein für erste Anzeichen eines problematischen Essverhaltens haben, die Grenze zwischen einer „schwierigen Phase“ und einer tatsächlichen Essstörung ist jedoch oft schwer zu ziehen. „Mögliche Anzeichen können vermeidendes Verhalten bei gemeinsamen Mahlzeiten, freiwilliges Weglassen ganzer Lebensmittelgruppen, übermäßige Moralisierung von Lebensmitteln und Kalorien-Tracking sein. Diese Aufzählung erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und nicht jeder dieser Faktoren bedeutet gleich eine Essstörung“, erklärt die Diätologin. Das Essverhalten von Kindern und Jugendlichen unterliegt natürlichen Schwankungen, die nicht immer eine Gefährdung darstellen würden. „Wenn es jedoch über einen längeren Zeitraum Auffälligkeiten beim Gewicht gibt, bei Mädchen die Menstruation ausbleibt oder erwähnte Verhaltensweisen regelmäßig beobachtet werden, ist eine Vorstellung beim Kinderfacharzt zu empfehlen.“ 

Eltern als Vorbild

Nicht zu unterschätzen ist die Vorbildwirkung der Eltern. „Gerade in den ersten Lebensjahren schauen sich Kinder durch das Modelllernen sehr viel von den Eltern ab. Man sollte sich Gedanken machen, welche Werte und Einstellungen man ihnen in Bezug auf Essen mitgeben möchte und wie man selbst in diesem Sinne handelt und über das Essen spricht – inklusive Körpersprache!“ Auch die Stimmung am Esstisch spielt eine Rolle: „Essen soll ein lustvolles Erlebnis sein. Also darf man den Perfektionismus auch mal über Bord werfen und auch als Elternteil einfach Spaß am Essen haben – auch das ist Vorbildwirkung.“ 

Im Alltag lassen sich diese Dinge natürlich nicht immer umsetzen. „Auch wenn selbst gekochtes Essen viele Vorteile bietet, vor allem wenn Kinder altersgerecht bei der Zubereitung einbezogen werden, ist das im Familienalltag nicht immer möglich. Hier gilt die Devise: Gut ist gut genug! Halbfertigprodukte wie etwa Nockerl, Aufstriche, Tomatensoße oder Tiefkühlgemüse helfen, Zeit zu sparen. Auch Wraps sind eine großartige Möglichkeit, um Reste zu verwerten. Wenn mal etwas mehr Zeit zum Kochen bleibt, kann auch eine größere Menge gekocht und in Portionen eingefroren werden.“ Die Meinung vieler Eltern, dass nur eine warme Mahlzeit vollwertig ist, kann die Expertin ausräumen. „Auch ein belegtes Brot mit Gemüsesticks oder Obst ist eine ausgewogene Mahlzeit. In ruhigen Momenten Obst und Gemüse vorzuschneiden und in luftdicht verschlossenen Behältern im Kühlschrank aufzubewahren, kann außerdem helfen, in einer angespannten Hungersituation Zeit zu sparen.“

MYTHOS 1: QUETSCHIES ALS GESUNDER SNACK FÜR KIDS

Quetschies, also Fruchtpüree im Quetschbeutel, sind Fluch und Segen zugleich. Das Prinzip des Saugens haben die Kinder schnell durchschaut. Jedoch wird auf der Verpackung empfohlen, das Quetschie mit einem Löffel zu füttern, um einerseits Karies durch das Nuckeln zu vermeiden und andererseits zu verhindern, dass der gesamte Inhalt in weniger als 15 Sekunden im Magen des Kindes landet. Dies kann nämlich Bauchschmerzen verursachen, da die Menge an Fruchtzucker nicht zu unterschätzen ist. Die vergleichbare Menge an Obst im Ganzen könnte ein Kind niemals in dieser Zeit essen. Das Lebensmittel an sich ist also nicht unbedingt das Problem, die Art und Weise, wie es von den Kindern innerhalb kürzester Zeit schon fast inhaliert wird, schon.


MYTHOS 2: KINDERLIEBEN VON HAUS AUS SÜSSES ESSEN

Tatsächlich haben alle Säuglinge eine Präferenz für den Süßgeschmack, da dieser auf eine verlässliche Energiequelle hinweist und evolutionstechnisch das Überleben sichert. Auch Muttermilch hat einen leicht süßlichen Geschmack. Zusätzlich lässt sich die Präferenz für Süßigkeiten aber auch oft durch Moralisierung, Verknappung oder Verbote erklären, da dadurch diese Lebensmittelgruppe auf ein Podest gehoben wird und besonders begehrenswert erscheint.