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Zum Friedhof? Ja, bitte!

Ⓒ Detlef Kielneidam

18.10.2022

Einmal im Jahr, rechtzeitig vor Allerheiligen, widmen sich auch Zeitungen dem Thema Tod. Präziser formuliert, es werden Texte verfasst, Hilfestellungen, was im Falle des Falles, wenn es soweit ist, zu tun ist. ,,Abschied nehmen" beginnt bei der Sterbebegleitung, behandelt Fragen zur Durchführung von Begräbnisritualen und endet im besten Fall nach einem würdevollen Durchschreiten eines Trauerprozesses. Dabei kommt Friedhöfen, und der Frage, wie diese entsprechend zu gestalten sind, eine wesentliche Rolle zu.

Das Grabdenkmal SPIRALE wurde zum Wettbewerb „Grabmalpreis 2022“ von Steinmetzmeister Reinhard Winter aus Wien eingereicht. © Reinhard Winter
Das Grabdenkmal SPIRALE wurde zum Wettbewerb „Grabmalpreis 2022“ von Steinmetzmeister Reinhard Winter aus Wien eingereicht. © Reinhard Winter

So werden die Leserinnen und Leser dieser ,,Sonderbeilage" eingeladen, den Tod und seine Begleiter für eine kurze Sprech-, besser gesagt Lesestunde ins Haus zu bitten, wenn er denn nur gleich wieder verschwindet! Vor der unangenehmen Audienz - wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Unausweichlichen - muss der seltene Besuch allerdings noch ausgiebig geschminkt werden. Seine an sich hässliche Fratze sollte weitgehend ,,schön" dargestellt werden, um die Leserinnen nicht zu verstören oder ein vorschnelles ,,Sterben? Nein danke!" zu provozieren: Es werden Fotos herbstlich bunter Bäume gedruckt, allerlei Kerzen, lieblich geschmückte Särge, Gräber, und natürlich ganz viel Werbung. Den schönen Tod bekommt man bekanntlich nicht umsonst, er ist ein teurer Gast und möchte wertgeschätzt werden.

Um herauszufinden, was einen Friedhofsdiskurs bestimmt, worum es also geht, wenn gegenwärtig vom Friedhof, dem (ehemaligen) Zuhause der Toten die Rede ist, nehme ich die 2021 herausgegebene Beilage der OÖ Nachrichten ,,Abschied nehmen" zur Hand und durchforste sie nach einschlägigen Begriffen. In aufsteigender Reihenfolge erhalte ich folgendes Ergebnis: ,,Freude" und ,,Denkmal“ liest man, verteilt auf einunddreißig Seiten, nur zwei Mal.

Dass sich die Freude im Friedhofskontext an Zurückhaltung übt, scheint klar, aber das Fehlen der Denkmäler, wie man die vielen Gräber auch nennen könnte, überrascht mich. Für Steinmetze und allen, denen eine professionelle Gestaltung von Friedhöfen ein Anliegen ist, sicher keine gute Nachricht. Auch die Religion hat mittlerweile das Nachsehen: Nicht öfter als vier Mal wird der Begriff ,,Gott" abgedruckt, ,,Hoffnung" immerhin sechs Mal. Es folgen 12 Mal ,,Kultur", 22 Mal ,,Erinnerung". Im Wettrennen zwischen Sarg und Urne gewinnt die ,,Urne" mit 64 gedruckten Begriffen, während es ,,Sarg" nur 12 Mal in die Zeilen schafft. ,,Wald" und ,,Liebe" liegen mit je 48 Nennungen gleich auf, der ,,Tod" wird 57 Mal erwähnt, das ,,Leben" 86 Mal. Einsamer Spitzenreiter ist jedoch der Begriff ,,Trauer", ganze 123 Mal wird er von den AutorInnen der Beilage bemüht.

Und es gibt sie, Friedhöfe wo sich biologisch abbaubare Urnen im Sinne einer ,,naturnahen Bestattung" neben klassischen Grabdenkmälern reihen, friedlich gepaart mit zeitgenössischer Kunst und einer Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Auch österreichische Steinmetze setzen sich vehement für eine Um- und Aufwertung dieser unverzichtbar gewordenen Orte ein und begleiten Trauernde im Gestaltungsprozess von persönlichen Erinnerungszeichen. So könnte auch der Begriff ,,Freude" wieder öfter den Tod schmücken und der Linzer Taxifahrer nicht so große Augen machen, wenn ich sage: Ja, zum Barbara-Friedhof bitte, dort spielt das Leben, dort möchte ich hin!

Arnold Reinthaler ist Bildhauer und arbeitet als Künstler in Wien. Er studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien, promovierte mit einer kulturwissenschaftlichen Dissertation und beschäftigt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit der Modellierung von Zeitbegriffen.